Demut vor den Dingen und ihrer Geschichte

Wo früher Heavy-Metal-Musik zu hören war, ist nun ganz anderes Metall zu finden. Robert Haussner hat im früheren Helheim in der Walter-Heinze-Straße einen Werkstattladen eröffnet. Wobei es das nicht ganz trifft, denn wer seine Räume betritt, begibt sich in eine künstlerische Wunderwelt, in eine Wunderkammer mit geheimnisvollen Gegenständen wie Schädeln und Tiermumien oder optischen Geräten und chirurgischen Instrumenten. Um herauszufinden, was dahinter steckt, haben wir nachgefragt:

Wie bist Du Künstler geworden?

Ursprünglich habe ich einfach antike Dinge verkauft, weil ich in den Abrisshäusern des Leipziger Ostens in den 80er Jahren viel davon gesammelt habe und mein Onkel schon regelmäßig Flohmarkt gemacht hat. Außerdem war es in der DDR eine angenehme, freie Art zu leben.

Nach der Wende hab ich mit Freunden einen Laden in der “Feinkost” eröffnet. Nach einer längeren Asienreise hat das aber irgendwie für mich nicht mehr gestimmt. Wir haben Möbel abgelaugt, weil das modern war. Der Stil und die handwerkliche Arbeit waren verkaufbar. Aber die einzigartige Geschichte dieses einen Möbels ist dabei auf der Strecke geblieben. Für mich sind alte Dinge in erster Linie Träger von Menschheitsgeschichte. Von Schicksalen und Alltag und Umbrüchen.

Seitdem kaufe und bearbeite ich nur noch Dinge, die ich mag bzw. die mich ansprechen. Und das verkaufen steht nicht mehr im Vordergrund.

Viel wichtiger ist das In-Szene-Setzen, das Raum-Geben, das Gestalten und das Kommunizieren. Über die Art, wie wir mit unserer Geschichte umgehen und mit dem Leben, warum wir alles dem Geld unterordnen und was das Leben eigentlich ist. Und wie irre das Universum ist und die Erde, aus der wir geboren sind. Seitdem versuche ich in der Gestaltung auszudrücken, was in mir vorgeht. Manche sagen, das sei Kunst.

Hast Du Kunst studiert? Oder bist Du Autodidakt?

Nein, studiert habe ich nicht. Ich habe mit guten Handwerkern zusammen gearbeitet und mir viel von denen abgucken können. Ich habe in der DDR eine Ausbildung zum Maurer abgeschlossen, aber nie wirklich in diesem Beruf gearbeitet.

Wie bist Du zu Deinem Stil gekommen?

Im Grunde sammle ich nur interessante Objekte, hauptsächlich Maschinenteile, optisches Glas und organische Materialien wie Knochen, Mumien oder verwittertes Holz. Und die schreien dann förmlich danach, kombiniert zu werden. Dann entstehen mal sehr komplexe Objekte, mal finden nur zwei Teile zusammen, für eine gewisse Zeit. Die Dinge bleiben aber in Bewegung. Vieles verwerfe ich wieder und kombiniere es neu. Eigentlich geht es nicht so sehr darum, was dabei rauskommt, als vielmehr, wie es entsteht.

Ich versuche, die einzelnen Teile so wenig wie möglich zu verletzen und der Geschichte und dem jeweiligen Zustand, der Patina jedes Teiles die gebührende Achtung entgegen zu bringen. Einer simplen Schraube genauso wie einem mumifizierten Eichhörnchen oder einem Hohlspiegel oder dem gusseisernen Korpus eines 100 Jahre alten optischen Instrumentes. Das heißt, ich überlege mir genau, ob es wirklich notwendig ist, ein Loch zu bohren, um zwei Teile zu verbinden. Vieles ist deshalb nur geklemmt, gespannt, gesteckt.

Und es geht eigentlich auch immer um den ganzen Raum. Ich will Räume gestalten. Mit den Objekten und auch innerhalb der Skulpturen, die ich baue. Da gibt es immer was zum reingucken. Wie in eine Monstranz. Ein Allerheiligstes. Ein Raum in dem etwas passiert.

Woher nimmst Du Deine Anregungen?

Die Anregung nimmt mich. Das passiert einfach, wenn ich in der Werkstatt stehe.

Wie kommst Du an die ganzen ungewöhnlichen Objekte?

Das meiste stammt von Flohmärkten, weltweit. Manches hab ich auch von Leuten bekommen, die die Ausstellung mochten. Meist waren das gefundene Knochen oder Tiermumien, mit denen die Leute nichts anfangen konnten. Und vieles hab ich auch selbst gefunden. Ich halte immer die Augen offen.

Hast Du eine Botschaft?

Achtung ist mir wichtig. Ich möchte Dinge bauen, an denen sich noch Generationen freuen können, und versuche deshalb, die Protagonisten meiner Objekte mit Achtung zu behandeln. Jedes Teil hat seine ureigene Geschichte. Das ganze Universum hat daran gearbeitet. Schon bevor der Rohstoff aus der Erde gekratzt wurde. Ich finde, wir sollten uns gegenüber den Dingen, die uns dienen, demütig verhalten. Das ist vielleicht eine gute Übung, auch die Erde, aus der das alles entstanden ist, und die Wesen, die darauf mit uns leben, mit Achtung zu behandeln.

Wie reagieren die Menschen, wenn Sie Deine Kunst das erste Mal sehen?

Meist ist das Feedback sehr positiv. Oft höre ich auch Sätze wie “Was ist das da, mit dem Licht?” oder “Ist das ein Laden oder eine Ausstellung?” Manche denken auch, bei mir gäbe es Kaffee. Das gefällt mir. Was nicht in etwas Bestehendes eingeordnet werden kann, hat die Chance tiefer einzudringen. Sogar wenn Menschen vor den Mumien oder den chirurgischen Exponaten zurückschrecken, ergibt sich meistens noch die Möglichkeit darüber zu sprechen und, wenn die Leute bereit dafür sind, neue Blickwinkel zu öffnen.

“Gegenstände Haussner”
Weissenfelser Straße 32 (Ecke Walter-Heinze-Straße),
04229 Leipzig
Öffnungszeiten: Mittwoch – Samstag, 12.00 – 19.00 Uhr

Bild: Kathrin Senf