Je älter die Stücke sind, um so spannender ist es

Sprungfedern, schön gestaltete Sitzmöbel, Motorradhelme und ganz viel Handarbeit. All das findet man in dem kleinen Werkstattladen von Kathrin Senf. Wir waren neugierig und haben nachgefragt:

„MöbelWerkstatt“ klingt nach Handarbeit und klassischem Handwerk. Was machen Sie den alles in Ihrer Werkstatt?

Meine Werkstatt ist in der Tat ein Ort, an dem fast alle Arbeitsschritte mit der Hand erledigt werden, unter Zuhilfenahme verschiedener Werkzeuge wie Scheren, Hämmer, Messer, Nagelheber, Nadeln, Locheisen, Haarverzieher usw., aber natürlich habe ich auch einen Tacker mit ordentlichem Kompressor, eine Nähmaschine sowie Bohr- und Schleifmaschinen.

Wenn ich nicht selbst Möbel entwerfe und baue, sondern alte Polstermöbel neu gestalte, beziehe oder restauriere, geht es immer damit los, das Stück „abzuziehen“, d.h. den alten Stoff (in der umgekehrten Reihenfolge, wie es einst bezogen wurde) abzunehmen und zu sehen, wie es aufgebaut ist, was von dem alten Polster noch zu „retten“ ist, wie es weiter gehen kann. Je älter die Stücke sind, um so spannender ist es.

Um welche Möbel kümmern Sie sich? Nur um Sitzmöbel?

Genauer gesagt geht es um Polstermöbel. Es geht darum, Möbel zu schaffen, die passen und bequem sind – formschön, solide, tauglich für den täglichen Gebrauch, eben Stücke, die gern „besessen“ werden. Aber auch ein Tresen oder eine Tür kann gepolstert sein.

Wie sind Sie dazu gekommen?

Ich bin durch Zufall (wenn es ihn gibt) da hineingeraten, heute es ist eine „amour fou“.
Schon als Kind habe ich viel gebaut, gezeichnet und gebastelt. Jeden Tag nach der Schule musste ich in der Werkstatt meines Vaters die Hausaufgaben erledigen. Sicherlich ist da einiges hängen geblieben.
Über das Tun begreift man im wahrsten Sinn des Wortes.
Ich habe nie einen Beruf erlernt, sondern alles Mögliche gemacht, als Schneiderin, Fotografin, Souffleuse gearbeitet, Kulissen gebaut, Haus gebaut, alte Dinge repariert. Learning by doing. In der HGB studierte ich Fotografie/Videokunst und habe den Meisterschüler in Fotografie. Auch auf fotografisch-künstlerischem Gebiet habe ich gern „angewandt“ gearbeitet.

Es gibt ja diesen Zwist zwischen Kunst und Handwerk. Wenn mein Vater Stahlskulpturen baute, lief das zu DDR-Zeiten unter Kunsthandwerk. Aber er sah sich als Künstler. Ich befinde mich in einer ähnlichen Situation. Wo hört das Handwerk auf? Wo beginnt die Kunst? Im besten Fall sollte man das Handwerk so perfekt beherrschen, dass es einem im freien Ausdruck und der Formfindung dienen kann.

Ganz bewusst habe ich für mein Unternehmen das Wort „Werkstatt“ gewählt und nicht Design, Upcycling, Kunst, Raumausstatter oder Polsterei, obwohl das alles mit drin steckt. Ich wollte damit eine Brücke zum Handwerk schlagen, zum Bauhaus, zu Van de Velde, zu Werken die durch Hand und Werkstoff geschaffen wurden.

Welche Kunden haben Sie? Auch die Oma von nebenan?

Es ist die ganze Bandbreite, sowohl Museen, gewerbliche als auch Privatkunden. Wenn die Oma von nebenan kommt, läuft das bei mir unter Nachbarschaftshilfe.

Auf der Internetseite sind Sättel und Zaumzeug, aber auch Motorradhelme zu sehen. Was hat es damit auf sich?

Da ich über meine Affinität zum Material Leder zur Polsterei gekommen bin, biete ich auch einige Sattlerarbeiten an. Wirklich einen Sattel bauen kann ich nicht, habe aber schon diverses Zaum- und Zugzeug gefertigt oder umgebaut, Reitzubehör geflickt, Taschen genäht, Motorradhelme gepolstert und Fahrradsättel repariert.

Was macht Ihnen bei Ihrer Arbeit am meisten Freude?

Mir macht es einfach Spaß in meiner Werkstatt bei guter Musik in den Abend hinein zu arbeiten, in einen „flow“ zu kommen, zu sehen, dass da etwas entsteht, zu dem ich voll und ganz stehen kann.

Gern würde ich mal wieder so etwas wie das Kaiserbad machen, eine Bar einrichten oder eine Eisdiele, etwas wo man nicht nur ein einzelnes Stück, sondern das Ganze (mit)gestaltet und dieses auch umsetzt.

Auf einem Bild Ihrer Arbeit ist die französische Schnürung zu sehen: Erklären Sie doch bitte kurz, was das ist. Und nutzen Sie diese auch selbst?

Na klar. Ich baue Polstermöbel wenn gewünscht komplett neu auf, mit gespannten Gurten, aufgenähten Sprungfedern – die auf eine bestimmte Höhe runter geschnürt werden, einem darauf aufgenähtem Hochpolster aus Afrik, Werg und/oder Rosshaar, dem Weißpolster usw., eben so, wie wir das von einem klassischen Sofa her kennen. Das alles ist extrem aufwändig, und nur wenige Leute sind bereit dafür zu zahlen.

Es ist beeindruckend, wenn man so ein altes Stück auseinander nimmt, wie kunstvoll das gearbeitet ist. Das kann ich versuchen, so wiederherzustellen und habe darin auch einige Fertigkeit entwickelt, oder aber es wird ersetzt oder verändert.

Was bedeutet der Leipziger Westen für Sie?

Leipzig hat mir schon immer gut gefallen. Ich lebe zum dritten Mal in dieser Stadt und ich glaube, dass ich hier bleiben werde. Seit 2012 wohne ich im Leipziger Westen und 2014 habe ich hier meine eigene MöbelWerkstatt eröffnet. Mir gefällt diese Gegend, ihre Lebendigkeit, die Mischung aus Industrie- und Wohnbauten, die vielen Freiräume, die Toleranz und Buntheit der Menschen, die hier wohnen, die Straßenfeste. Und ich hoffe, dass bei aller Veränderung und „Fortschritt“, die das Viertel erfährt, dieses erhalten bleibt.

MöbelWerkstatt
Kathrin Senf
Antonienstraße 26
04229 Leipzig

am Adler, direkt gegenüber der “Schauburg”

Donnerstag bis Samstag 14.00 bis 18.00 Uhr
Tel. 0157 30447990

www.moebelwerkstatt.net

Bild: Roland Beer