Auf einem rot gepolsterten Holzstuhl sitzt Felix Lange inmitten seiner Werkstatt, umgeben von warmem Holz, und legt die Hände in den Schoß. Er strahlt Ruhe und Feinsinn aus. Ein Geigenbaumeister im Leipziger Westen, der Gedankenwelten eröffnet, wenn er erzählt. Dass die Musik und seine Arbeit ihn berühren, ist deutlich spürbar, als er anfängt davon zu sprechen, wie alles begann:

„Ich habe als Kind mit Cello angefangen, in der zweiten Klasse, habe immer viel gespielt, war auf einem Musikinternat hier in der Nähe, die Musik war überall. Mein Vater hat sich viel mit Musikinstrumentenbauern aus Berlin beschäftigt, dann habe ich ein Praktikum in der Schule gemacht. Und eine Faszination dafür entwickelt, dass man aus Holz solche gewölbten, feinen Dinge baut, die dann auch noch klingen können.“

Wie eine Geige entsteht

Zu den Aufgaben eines Geigenbaumeisters gehören der Neubau, die Reparatur und die Restaurierung von Streichinstrumenten. Von modernen Geigen, Cellos, Bratschen und Kontrabässen, aber auch von historischen Instrumenten aus der Gambenfamilie.

Es ist wie eine Reise, zu entdecken, was es bedeutet, Streichinstrumente zu bauen: „Das aufwendigste am Geigenbau ist die Form. Bei Gitarren gibt es flache Böden und Decken, die man leicht biegt. Im Geigenbau ist es nicht so, dass diese organischen Formen gebogen werden, sondern Boden und Decke, also der hintere und vordere Teil des Instrumentes, werden aus massivem Holz herausgearbeitet. Es sind im Grunde Bildhauerarbeiten. Und es sieht am Ende so perfekt aus, als wurde es gebogen.“

Beim Bau von Streichinstrumenten und der Entwicklung des Klanges steckt das Geheimnis auch im verwendeten Holz: Ahorn ist das Grundholz und besitzt ein besonders schönes, flammendes Muster, das lebendig wirkt, wenn man das Instrument neigt. „Die Decke ist dann aus Fichte. Das ist das Holz, das klingt. Möglichst leicht und trotzdem stabil. Es ist extrem dünn, ein bisschen mehr als 2 Millimeter. Dass es Jahrhunderte hält, ist erstaunlich – aber durch die Wölbung zu erklären. Das Griffbrett und alle anderen schwarzen Elemente sind aus Ebenholz. Das ist noch ein Stück widerstandsfähiger als Ahorn, denn durch die Härte der Metallsaiten braucht man einen sehr stabilen Untergrund, der nicht so schnell aufreibt.“

Was eine Geige erlebt

Warum ein Instrument repariert oder restauriert werden muss, kann ganz unterschiedliche Gründe haben: Es gibt einige Teile, die verschleißen, es gibt Unfälle, Ränder nutzen sich ab, es entstehen Risse, Hälse können herausbrechen. „Risse sind das größte Problem, oder dass sich die Wölbung verformt. Man behandelt solche Instrumente aber wie alte Kunstwerke. Man entfernt so wenig originales Material wie nötig, versucht alles zu erhalten. Beim Riss würde man ihn leimen oder ihn ganz fein aussetzen.“

Aber nicht jede*r geht so filigran mit den Instrumenten um: „Einmal kam ein Mann zu mir und hatte den Lack seiner Geige abgeschliffen. Er wollte wissen, welchen Lack er jetzt darüber ziehen kann. Ich konnte es kaum glauben – damit hatte er ein altes Dresdner Instrument aus dem 19. Jahrhundert vollkommen ruiniert“, sagt Felix, und wirkt immer noch etwas schockiert. Daneben gibt es aber auch die Momente der Begeisterung: „Am schönsten sind natürlich die Aufträge, wenn man sich darauf spezialisiert hat, neue Instrumente zu bauen. Wenn jemand sagt ‚Ich will ein Instrument von dir‘ – das ist das Schönste. Oder sehr hochwertige, alte Instrumente, berühmte Instrumente, die restauriert werden können. Wenn man sie zum Vorbild in der Hand hat, und sie eigentlich nur aus Fotos kennt.“

Was ein Geigenbaumeister erlebt

Felix arbeitet seit eineinhalb Jahren in dieser Werkstatt, etwas versteckt in einem Hinterhof der Merseburger Straße. Fast zu schön um wahr zu sein, gerade in Hinblick auf die damalige und auch aktuelle Situation im Leipziger Westen, in der man von der Anmietung eines geeigneten Raumes fast nur träumen kann. Aber Felix hatte Glück: Im Haus befindet sich nicht nur eine Werkstatt, sondern auch eine WG, in der Felix mit vier anderen Kreativen wohnt. Der Vermieter ist selbst Architekt und legt Wert darauf, dass seine Objekte so sinnvoll genutzt werden, wie die WG es tut. Da kam der Ruf einer Freundin, gemeinsam in die WG mit dem großen Gemeinschaftswohnraum und angrenzender Werkstatt zu ziehen, wie gerufen. Den Leipziger Westen selbst nimmt Felix als einen guten Ort zum Leben wahr: „Ich bin nicht jemand, der die ganzen Angebote nutzt. Das ist eher so ein Lebensgefühl, das mir gut gefällt. Dass viele Menschen da sind, dass man sieht, dass es viele kleine Geschäfte gibt, dass es bunt ist. Optisch auch der Kanal, wie die Leute sich im Sommer freuen, zusammensitzen und genießen. Man kann es natürlich auch kritisieren: zu perfekt, zu viele junge Leute, zu abgehoben. Aber ich fühle mich wohl hier. Und für die Werkstatt ist es gut.“

Sich seine eigene Werkstatt neben ca. zehn weiteren Geigenbauwerkstätten in Leipzig aufzubauen, funktioniert hier im Leipziger Westen eigentlich ganz gut. In Felix‘ Werkstatt kommen vor allem Leute, die Wert auf Musik legen, meistens klassische Musik. Dazu gehören Berufsmusiker, Schüler*innen, Studierende, Laien, Leute die Lust darauf haben – „eben jeder, der ein Streichinstrument spielt“, sagt Felix, lächelt und lässt den Blick durch den Raum schweifen. Nach vielen Stationen in verschiedenen Werkstätten scheint er hier nun endlich angekommen zu sein.